CDU-Logo


Umgang mit straffällig gewordenen jugendlichen Flüchtlingen

Als pdf: 16/6563 | Umgang mit straffällig gewordenen jugendlichen Flüchtlingen (Schriftliche Kleine Anfrage)


BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 16. Wahlperiode

Drucksache

16/6563
21. 08. 01

Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Klaus-Peter Hesse (CDU) vom 13. 08. 01 und

Antwort des Senats

Betr.: Umgang mit straffällig gewordenen jugendlichen Flüchtlingen
Presseberichten zufolge ist kürzlich ein 19-jähriger Heranwachsender aus Burkina Faso festgenommen worden. Der angebliche Burkiner soll der Polizei bereits seit Februar 2000 bekannt gewesen sein: So soll der 19-Jährige wegen des Verdachts auf Rauschgifthandel seitdem 15mal vorläufig festgenommen, 28-mal in Gewahrsam genommen sowie 46-mal vom Platz verwiesen worden sein. Auch der Fall des 15-jährigen Mehmet, der seit November letzten Jahres in Deutschland leben soll und bereits zweimal wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz von der Polizei aufgegriffen worden sein soll, machte Schlagzeilen. Am Hofschläger Weg wird nun die erste intensiv betreute Wohngruppe mit zehn Plätzen für unter 16-jährige Flüchtlinge, die mindestens dreimal als Dealer gefasst wurden, eröffnet. Dies vorausgeschickt, frage ich den Senat. Flüchtlinge im Rechtssinne sind Personen, die die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne des Artikel 1 A. der Genfer Flüchtlingskonvention innehaben. Unter demselben Begriff werden im allgemeinen Sprachgebrauch auch Asylbewerber und Asylbewerberinnen sowie so genannte Duldungsantragsteller und -antragstellerinnen gefasst. Bei der Beantwortung der Frage wird von dem erweiterten Begriffsverständnis ausgegangen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt. 1. Wie viele jugendliche Flüchtlinge leben derzeit in Hamburg, die wegen der Begehung von Straftaten auffällig geworden sind? (Bitte getrennt aufschlüsseln nach bis unter 14-, 14bis unter 18- sowie 18- bis unter 21-Jährigen.) a) Wie viele und welche Delikte wurden von diesem Personenkreis in den letzten 24 Monaten begangen? Eine der Fragestellung entsprechende statistische Auswertung findet weder bei der Polizei noch beim Einwohner-Zentralamt statt. Seit Juni 2001 werden im Abschnitt für Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten des Einwohner-Zentralamtes die Akten der dort betreuten jugendlichen und heranwachsenden Asylbewerber und Asylbewerberinnen sowie Duldungsantragsteller und -antragstellerinnen, die strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, gesondert aufbewahrt. Danach sind strafrechtlich in Erscheinung getreten: unter 14-Jährige zwischen 14- und 18-Jährige zwischen 18- und 21-Jährige 6 Personen 104 Personen 60 Personen

In allen Fällen lagen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vor. Darüber hinausgehende Angaben würden eine detaillierte Aktenauswertung und einen Datenabgleich erforderlich machen. Dieses ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand nicht zu leisten.

Bürgerschaftsdrucksachen – außer Senatsvorlagen – sind – gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier – zu beziehen bei: Druckerei Wartenberg & Söhne GmbH, Theodorstraße 41 w, 22761 Hamburg, Telefon 89 97 90 - 0


Drucksache 16/6563

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 16. Wahlperiode

1. b) Wie viele Strafen bzw. Auflagen und welche Art von Strafen bzw. Auflagen wurden verhängt, wie viele und welche anderen Maßnahmen wurden von welcher Stelle ergriffen, wie häufig kamen diese Täter in Untersuchungshaft und wie viele Verfahrenseinstellungen gab es im Bereich der jugendlichen und heranwachsenden Täter in den letzten 24 Monaten? Die zur Beantwortung der Fragen benötigten Daten werden von der Staatsanwaltschaft Hamburg statistisch nicht gesondert erfasst. Eine Einzelfallauswertung sämtlicher Verfahren im erfragten Zeitraum ist innerhalb der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich. 2. Wie wird in Hamburg mit straffällig gewordenen jugendlichen Flüchtlingen verfahren? (Bitte getrennt aufschlüsseln nach bis unter 14-, 14- bis unter 18- sowie 18- bis unter 21Jährigen.) Straffällig gewordene Flüchtlinge über 14 Jahren werden bei einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung auch in der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand untergebracht. Im Falle der Straffälligkeit ausländischer Jugendlicher und Heranwachsender wird – unabhängig vom Alter – aufenthaltsrechtlich nach §§ 45 bis 48 Ausländergesetz (AuslG) eine Ausweisung geprüft. Dabei ist bei Minderjährigen bzw. Asylberechtigten und Personen mit der Rechtsstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention vor allem der besondere Ausweisungsschutz nach § 48 Absatz 1 Nummern 2 und 5, Absatz 2 und Absatz 3 AuslG zu beachten. Sind die Betroffenen vollziehbar ausreisepflichtig, werden sie nach § 49 AuslG – ebenfalls altersunabhängig – abgeschoben. 3. Wo werden straffällig gewordene jugendliche Flüchtlinge in Hamburg untergebracht? (Bitte getrennt aufschlüsseln nach bis unter 14-, 14- bis unter 18- sowie 18- bis unter 21-Jährigen.) 4. Wie und von welchen Stellen werden straffällig gewordene jugendliche Flüchtlinge in Hamburg betreut? (Bitte getrennt aufschlüsseln nach bis unter 14-, 14- bis unter 18- sowie 18- bis unter 21-Jährigen.) Straffällig gewordene Flüchtlinge unter 21 Jahren werden bei einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung in der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand untergebracht. Sie werden von dem dortigen Personal, unter anderem Psychologinnen/Psychologen und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen, betreut. Darüber hinaus stehen für die verbindliche Unterbringung von unter 16-jährigen Flüchtlingen, die mindestens drei Mal als Dealer gefasst und als „Intensivdealer“ eingestuft worden sind, die seit 1998 eröffneten Intensiv Betreuten Wohngruppen (IBW) des Landesbetriebs Erziehung und Berufsbildung (LEB) im Umfang von zehn Plätzen zur Verfügung. In diesen Einrichtungen können Jugendliche nach Maßgabe der §§ 71 Absatz 2 und 72 Jugendgerichtsgesetz (JGG) und § 34 ff. Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) untergebracht werden. Im Übrigen leben junge Flüchtlinge, die der Begehung von Straftaten verdächtigt werden, an den Orten, an denen auch andere junge Flüchtlinge leben. Dies gilt auch für die Personen, die von den Gerichten rechtskräftig nach den Bestimmungen des JGG einer Bewährungsaufsicht unterstellt wurden bzw. Auflagen und Weisungen nach §§10 und 15 des JGG zu erfüllen haben. Diese werden von der Jugendbewährungshilfe des Amtes für Jugend bzw. den Jugendgerichtshilfen der Bezirksämter im Rahmen der jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen und Dienstanweisungen betreut. Sofern jugendliche Flüchtlinge mit ihren Angehörigen eingereist sind, sind sie bei diesen untergebracht. Jugendliche unbegleitete Flüchtlinge werden – je nach Alter – in folgenden Einrichtungen untergebracht: Einrichtungsart Erstversorgung nach § 42 SGB VIII Bezirkliche Jugendwohnung nach § 30 SGB VIII Wohngruppen nach § 34 SGB VIII Erstversorgung der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales Jugendpensionen Wohnunterkünfte X bis unter 14 Jahre 14 bis unter 18 Jahre X X (ab 16 Jahre) X ab 16 Jahre, wenn kein erzieherischer Bedarf 18 bis unter 21 Jahre X X X

X X X

Sofern jugendliche unbegleitete Flüchtlinge in Einrichtungen der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales oder in Einrichtungen nach dem SGB VIII untergebracht werden, werden sie dort von sozialpädagogischen Fachkräften betreut. Für Jugendliche mit erzieherischem Bedarf kann zusätzlich eine Betreuung durch Fachkräfte der Jugendämter erfolgen. 5. Mit welchen Maßnahmen wird in den Einrichtungen, in denen straffällig gewordene jugendliche Flüchtlinge unterkommen, gewährleistet, dass von diesen Personen keine weiteren Straftaten ausgehen? Für wie effektiv hält der Senat diese Maßnahmen? Der Jugendvollzugsanstalt Hahnöfersand hat Außen- und Innensicherheitsanlagen. Diese gewährleisten, dass die in der Anstalt Hahnöfersand untergebrachten straffällig gewordenen jugendlichen Flüchtlinge ebenso wie die anderen jugendlichen Gefangenen nicht entweichen können. 2


Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 16. Wahlperiode

Drucksache 16/6563

Im Übrigen wird in den Einrichtungen der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Jugendhilfe auf Probleme, die mit einer Straffälligkeit im Zusammenhang stehen, im Rahmen der sozialarbeiterischen Betreuung reagiert. Bei entsprechender Entscheidung der Gerichte, wird diese Betreuung durch Betreuungsmaßnahmen seitens der Jugendstraffälligenhilfe ergänzt. Diese Maßnahmen haben sich als sehr effektiv erwiesen. 6. In welchen Fällen wird der Aufenthalt von bis 21 Jahre alten Flüchtlingen trotz Straffälligkeit geduldet? Der Aufenthalt ist nach § 55 Absatz 2 Ausländergesetz trotz Straffälligkeit zu dulden, solange die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 53 Absatz 6 oder § 54 Ausländergesetz ausgesetzt werden soll. 7. Seit 1998 lebt Abdul Kaeser N. in Hamburg. Wegen verschiedener Delikte ist er beim LKA 433, 722, 6, 42 sowie bei der Wache 11 bekannt. a) Welche Nationalität hat Abdul Kaeser N. und wie alt ist er? b) Wegen welcher Tatvorwürfe ist Abdul Kaeser N. wann auffällig geworden? c) Welche konkreten strafrechtlichen bzw. jugendstrafrechtlichen Maßnahmen sind mit welchem Erfolg jeweils verhängt bzw. ergriffen worden? (Bitte für jedes Delikt einzeln auflisten.) d) Wie soll weiterhin mit Abdul Kaeser N. verfahren werden? Eine Person mit dem Namen Abdul Kaeser N. konnte bei der Recherche in Auskunftssystemen der Polizei Hamburg und des Einwohner-Zentralamtes nicht ermittelt werden. Allein mit den in der Schriftlichen Kleinen Anfrage genannten Personendaten lässt sich die genannte Person auch im Zentralregister der Staatsanwaltschaft (MESTA) nicht ermitteln. 8. Hält der Senat zehn Plätze für die intensive Betreuung von unter 16-jährigen ausländischen Dealern für ausreichend? Wenn ja, warum? Wenn nein, wo sollen wann zusätzliche Plätze geschaffen werden? Die Intensiv Betreuten Wohngruppen des LEB verfügen derzeit über freie Kapazitäten. Sofern die zur Verfügung stehenden Plätze nicht ausreichen, können zeitnah und bedarfsgerecht weitere Plätze bereitgestellt werden. 9. Wird eine Intensivbetreuung für jugendliche Flüchtlinge, die gegen andere Strafgesetze außerhalb des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen, ebenso vorgesehen? Wenn ja, wann und wo? Wenn nein, wie sollen diese jugendlichen, straffälligen Flüchtlinge im Einzelnen betreut werden? In den Intensiv Betreuten Wohngruppen des LEB können Jugendliche nach Maßgabe der §§ 71 Absatz 2 und 72 JGG und § 34 ff. SGB VIII betreut werden. Eine Beschränkung auf Jugendliche, die bestimmter Delikte verdächtigt werden, besteht nicht. Im Übrigen siehe die Antwort zu 5.

3