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Beschlüsse des Familiengerichts zur Geschlossenen Unterbringung (GU)

Als pdf: 17/3465 | Beschlüsse des Familiengerichts zur Geschlossenen Unterbringung (GU) (Schriftliche Kleine Anfrage)


BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG 17. Wahlperiode

Drucksache

17/3465
21. 10. 03

Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Klaus-Peter Hesse (CDU) vom 10.10.2003 und

Antwort des Senats

Betr.: Beschlüsse des Familiengerichts zur Geschlossenen Unterbringung (GU) Der Senat hat in seiner Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 17/3264, Fragen 20 bis 23) dargestellt, dass Anträgen des Familieninterventionsteams (FIT) der Behörde für Soziales und Familie auf Unterbringung in der GU Feuerbergstraße vom Familiengericht nicht entsprochen wurde. Auch wurde bestätigt, dass ein vierzehnjähriger Jugendlicher während seines Aufenthaltes in der GU vom Familiengericht zwei Wochen Urlaub erhielt, obwohl er wegen der mehrfachen Vergewaltigung einer bettlägerigen, an Multipler Sklerose erkrankten Frau verdächtigt war und Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs an Kindern, gemeinschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung, Autoaufbrüchen und Diebstählen eingeleitet waren. Der Senat teilt zudem mit, dass das FIT nicht mehr zuständig sei und sich der Jugendliche zu Hause aufhalte und ambulante Hilfen zur Erziehung nach § 30 SGB VIII erhalte. Am 27.09.2003 war den Medien zu entnehmen, dass ein vierzehnjähriger Jugendlicher vom Bezirksjugendgericht in Untersuchungshaft geschickt wurde. Dies vorausgeschickt frage ich den Senat: Die Formulierung: „FIT ist nicht antragsberechtigt und hat deshalb keinen neuen Antrag auf GU stellen können“ in der Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 17/3264 hat in tabellarischer Verkürzung folgenden Sachverhalt wiedergegeben: Das Familiengericht hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht und damit die zivilrechtliche Antragsbefugnis, einer geschlossenen Unterbringung zuzustimmen, auf einen Anwalt übertragen. An der jugendhilferechtlichen Zuständigkeit der Behörde für Soziales und Familie für den Minderjährigen ändert das nichts. Im Rahmen dieser Zuständigkeit hat das FIT – mangels Durchsetzbarkeit der ihm geeigneter erscheinenden Unterbringung in der Feuerbergstraße – zunächst die beschriebene ambulante Erziehungshilfe bewilligt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wegen welcher Delikte wurden die beiden Jugendlichen bisher verdächtigt und wie haben die Jugendhilfe, die Jugendgerichte sowie die Familiengerichte jeweils auf die Straftaten der beiden Jugendlichen reagiert?

Neben noch laufenden polizeilichen Ermittlungen, die noch nicht zum Abschluss gekommen sind, sind bei der Staatsanwaltschaft in Hamburg für den erstgenannten Jugendlichen 54 Verfahren verzeichnet. Hiervon wurden 53 Verfahren wegen Strafunmündigkeit (§ 19 Strafgesetzbuch (StGB)) eingestellt. Nicht abgeschlossen ist bisher ein Verfahren, in dem dem Jugendlichen eine am 24.08.2003 begangene Körperverletzung vorgeworfen wird; zu diesem Zeitpunkt war er bereits 14 Jahre alt.


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Von den 53 eingestellten Verfahren waren eingeleitet worden: – zwei Verfahren wegen Diebstahls geringwertiger Sachen (§§ 242, 248 a StGB; Tatzeiten: 20.02.1999 und 23.03.1999), – 17 Verfahren 15.05.2003), wegen Diebstahls (§ 242 StGB; Tatzeiten: 19.03.1999 bis

– ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB; Tatzeit: 14.03.2000), – ein Verfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Straßenverkehrsgesetz (StVG)); Tatzeit: 22.04.2000), – ein Verfahren wegen Missbrauchs von Notrufen (§ 145 StGB; Tatzeit: 20.08.2000), – ein Verfahren 23.04.2001), wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB; Tatzeit:

– zwei Verfahren wegen Sachbeschädigung (§ 303 StGB; Tatzeiten: 02.07.2001 und 30.05.2003), – ein Verfahren wegen räuberischer Erpressung (§ 255 StGB; Tatzeit: 17.07.2001), – ein Verfahren wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB; Tatzeit: 29.08.2001), – zwei Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (§ 29 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)); Tatzeiten: 31.01.2002 und 15.05.2003) – ein Verfahren wegen Raubes (§ 249 StGB; Tatzeit: 08.03.2002), – zwölf Verfahren wegen besonders schweren Falls des Diebstahls (§ 242 StGB; Tatzeiten: 02.05.2002 bis 06.07.2002), – ein Verfahren wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 StGB; Tatzeit: 27.06.2002), – zwei Verfahren wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs (§ 248 b StGB; Tatzeiten: 14.07.2002 und 03.09.2002), – ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 StGB; Tatzeit: 25.09.2002), – ein Verfahren wegen Inverkehrbringens von Falschgeld (§ 147 StGB; Tatzeit: 22.11.2002), – ein Verfahren wegen Hehlerei (§ 259 StGB; Tatzeit: 24.11.2002), – ein Verfahren wegen Unterschlagung (§ 246 StGB; Tatzeit: 17.12.2002), – ein Verfahren wegen Bedrohung (§ 241 StGB; Tatzeit: 10.04.2003), – ein Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB; Tatzeit: 18.04.2003) und – ein Verfahren wegen Körperverletzung (§ 223 StGB; Tatzeit: 24.05.2003). Bei einem weiteren Verfahren (Tatzeit: 17.07.1999) ist im Datenverarbeitungsprogramm der Staatsanwaltschaft keine Deliktsbezeichnung erfasst worden. Bis jetzt wurden keine jugendrichterlichen Maßnahmen gegen ihn ergriffen. Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des zuständigen Bezirksamtes hat seit Bekanntwerden der ersten Straftaten im Bezirksamt den Jugendlichen und die sorgeberechtigte Mutter wiederholt vergeblich zu Gesprächen in die Dienststelle geladen. Allein zur Mutter bestand zwischenzeitlich Kontakt. Sie war Mitte 2001 trotz Hinweis, dass eine Erziehungshilfe auch gegen ihren Willen durchgesetzt werden könne, nicht bereit, einer solchen Hilfe zuzustimmen. Der ASD hat die Sache – von vergeblichen weiteren Einladungen abgesehen – dann auch bis zu einer letzten vergeblichen Vorladung im August 2002 nicht weiter verfolgt. Das seit dem 04.03.2003 aus Anlass einer Polizeimeldung zuständige FamilienInterventions-Team der Behörde für Soziales und Familie (FIT) hat am 23.05.2003 einen Hausbesuch und am 26.06.2003 ein Gespräch in den Diensträumen des FIT durchgeführt. Am 17.07.2003 hat es beim Familiengericht beantragt, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und auf die Behörde für Soziales und Fa2


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milie zu übertragen sowie einen Antrag auf Unterbringung des Jungen in der Geschlossenen Unterbringung (GU) Feuerbergstraße – zunächst zum Zwecke der Begutachtung (§§ 70, 68 b FGG) – gestellt. Das Gericht hat dem vorläufigen Unterbringungsantrag mit Beschluss vom 18.07.2003 entsprochen und zunächst die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bis zum 30.07.2003 und am 21.07.2003 die Unterbringung in der Feuerbergstraße angeordnet. Mit gleichem Datum hat es dem Jugendlichen einen Sozialpädagogen als Verfahrenspfleger zur Seite gestellt. Der Jugendliche wurde am 22.07.2003 in der Einrichtung Feuerbergstraße geschlossen untergebracht. Die Genehmigung zur geschlossenen Unterbringung wurde mit Datum vom 23.07.2003 bis zum 08.08.2003 verlängert. Mit Beschluss vom 14.08.2003 hat das Familiengericht der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn entzogen und auf einen Rechtsanwalt als Privatpfleger übertragen. Am 17.08.2003 wurde der Jugendliche in der Einrichtung Feuerbergstraße in Obhut genommen. In einem Anhörungstermin am 18.08.2003 stellte der zwischenzeitlich als Privatpfleger bestellte Rechtsanwalt keinen Antrag auf weitere geschlossene Unterbringung, Das Familiengericht erteilte die Auflage, eine ambulante Hilfe nach § 30 SGB VIII in Anspruch zu nehmen. Ziel der Maßnahme sollte sein, eine Begutachtung sicherzustellen, den Schulbesuch einzuleiten und zu begleiten. Die Maßnahme wurde am 28.08.2003 begonnen und dauert an (siehe Antwort zu 9.). Gegen den zweitgenannten Jugendlichen sind im Zentralregister der Staatsanwaltschaft Hamburg sieben Verfahren verzeichnet. Hiervon wurden zwei Verfahren, die wegen Erschleichens von Leistungen (§ 265 a StGB; Tatzeit: 28.2003.2002) beziehungsweise Diebstahls (§ 242 StGB; Tatzeit: 29.09.2002) eingeleitet worden waren, wegen Strafunmündigkeit eingestellt. Ein weiteres Verfahren, das wegen eines besonders schweren Falls des Diebstahls (§ 243 StGB; Tatzeit: 03.06.2003) eingeleitet worden war, wurde wegen geringer Schuld nach § 45 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) eingestellt. Im dem vierten Verfahren, zu dem das fünfte Verfahren verbunden worden ist, wurde am 01.09.2003 Anklage wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen (§§ 223, 240, 249, 253, 255, 22, 23, 52, 53 StGB; Tatzeit: jeweils 12.06.2003) Anklage vor dem Jugendrichter erhoben. Im einem sechsten Verfahren wurde am 25.09.2003 wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung (§§ 240, 249, 253, 255, 22, 23, 52 StGB; Tatzeit: 04.08.2003) Anklage vor dem Jugendrichter erhoben. Die beiden Verfahren wurden durch das Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im vierten Verfahren war zuvor am 08.09.2003 Haftbefehl gegen den Jugendlichen ergangen. Nach seiner Verhaftung fand am 08.10.2003 die Hauptverhandlung statt. Das Verfahren wurde nach § 47 JGG vorläufig eingestellt. Dem Jugendlichen wurde die Durchführung eines Täter-OpferAusgleichs auferlegt. Der Haftbefehl vom 08.09.2003 wurde aufgehoben. Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung bezüglich des vierten Verfahrens hat die Jugendgerichtshilfe des zuständigen Bezirksamtes sowohl den Jugendlichen wie die Personensorgeberechtigten zu einem Gespräch am 15.09.2003 eingeladen, zu dem diese erschienen sind. Mit der Durchführung des vom Gericht am 08.10.2003 auferlegten Täter-Opfer-Ausgleichs soll in Kürze begonnen werden. Weitere Aktivitäten der Jugendhilfe im Vorfeld oder parallel zu den Bemühungen der Jugendgerichtshilfe hat es nicht gegeben. Noch nicht abgeschlossen ist das siebte Verfahren. Dem Jugendlichen wird hier ein am 14.08.2003 verübter Diebstahl (§ 242 StGB) vorgeworfen. 2. Wer kontrolliert, ob gerichtliche Auflagen eingehalten werden und wie wird bei Nichteinhaltung reagiert?

Die Einhaltung gerichtlicher Auflagen wird vom Jugendgericht im Zusammenwirken mit der Jugendgerichtshilfe des zuständigen Bezirksamtes überwacht. Bei einer Nichteinhaltung wird unterschiedlich reagiert, je nachdem, ob die Auflagen im Wege der vorläufigen Einstellung nach § 47 JGG oder durch Urteil erteilt wurden: Im ersten
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Fall wird das Verfahren fortgesetzt, im zweiten Fall kann gegen den Beschuldigten ein Beugearrest von bis zu vier Wochen Dauer verhängt werden. Handelt es sich um eine Auflage im Rahmen einer Unterstellung unter einen Bewährungshelfer, so wird die Erfüllung der Auflage durch das Gericht im Zusammenwirken mit der zuständigen Bewährungshilfe der Justizbehörde überwacht. Wird die Auflage nicht erfüllt, kann die Strafaussetzung zur Bewährung durch das Gericht nach § 26 Abs. 1 Satz 3 widerrufen werden. 3. Gibt es ein psychiatrisches Gutachten zu dem Jugendlichen, der bereits in der GU war und jetzt Hilfen zur Erziehung erhält? Wenn ja, von wem und mit welchem Ergebnis?

Ja. Das Gutachten wurde von zwei Kinder- und Jugendpsychiatern des katholischen Wilhelmstifts erstellt. Darin wird die Empfehlung ausgesprochen, den Jugendlichen in einer geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung unterzubringen. 4. Welche Gründe hat das Familiengericht für den oben genannten Beschluss angegeben?

Siehe Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 17/3264, dort zu Frage 23. 5. Ist dieser Junge seit der gerichtlichen Entscheidung erneut beim FIT gemeldet worden? Wenn ja, wann und mit welchen Deliktsvorwürfen?

Am 15.10.2003 hat das FIT eine Polizeimeldung aus Anlass eines räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) erreicht. 6. Ist seitens des FIT beim Familiengericht Beschwerde eingelegt worden gegen die angeordneten Maßnahmen?

Nein. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Familiengerichts vom 14.08.2003, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Privatpfleger zu übertragen, hat das FIT aber mit Datum vom 06.10.2003 erneut beantragt, das Aufenthaltsbestimmungs- und das Erziehungsrecht auf die Amtsvormünderin der zuständigen Behörde zu übertragen. 7. Was hat der vom Familiengericht bestellte Rechtspfleger bisher veranlasst?

Ein Rechtspfleger wurde nicht bestellt. Der Verfahrenspfleger hat an den Anhörungsterminen teilgenommen und Stellung genommen sowie mit einem Schreiben vom 29.09.2003 darauf hingewirkt, dass das psychiatrische Gutachten des Wilhelmstifts (siehe Antwort zu 3.) nicht verwendet werde. Der Privatpfleger hat am 01.10.2003 dem Familiengericht die Erstellung eines weiteren Gutachtens vorgeschlagen. Er hat darüber hinaus mit Datum vom 10.10.2003 eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter und einen weiteren Mitarbeiter des FIT bei der zuständigen Behörde eingereicht, die dort am 14.10.2003 einging. 8. Haben sich das Gericht und das FIT über die weitere Entwicklung des Jugendlichen informiert? Wenn ja, welche Konsequenzen hat es durch das Familiengericht gegeben?

Ja. Bislang hat dies zu keinen weiteren Konsequenzen durch das Familiengericht geführt. 9. Ist es richtig, dass sich der Jugendliche weiterhin bei der Kindesmutter aufhält? Wenn ja, warum? Wenn nein, wo dann?

Ja, dies entspricht der Auflage des Familiengerichts, zunächst ambulante Erziehungshilfe zur Sicherung der Begutachtung zur Vorbereitung weiterer familiengerichtlicher Entscheidungen sowie zur Sicherung des Schulbesuchs in Anspruch zu nehmen.

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